Folge der Nitrosaminkrise

Informationen über Wirkstoffhersteller sollen in kommenden Monaten frei zugänglich werden

Stuttgart - 24.04.2024, 17:50 Uhr

Woher kommen die Wirkstoffe in unseren Arzneimitteln? Bald soll eine frei zugängliche Datenbank Antworten liefern. (Foto: bong / AdobeStock)

Woher kommen die Wirkstoffe in unseren Arzneimitteln? Bald soll eine frei zugängliche Datenbank Antworten liefern. (Foto: bong / AdobeStock)


Spätestens seit dem Beginn der Nitrosaminkrise im Sommer 2018 interessiert sich auch die Öffentlichkeit für die Lieferketten von Arzneimitteln. Die zunehmende Brisanz von Lieferengpässen im Arzneimittelmarkt dürfte dieses Bedürfnis zusätzlich fördern. Bereits seit 2019 ist als eine Folge der Nitrosaminkrise geplant, Informationen über Wirkstoffhersteller für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen – nach mancher Hürde soll es nun wirklich in den kommenden Monaten so weit sein. 

Die DAZ berichtet seit dem Sommer 2018 immer wieder über die Auswirkungen der damals öffentlich gewordenen Nitrosaminkrise. Auch im Jahr 2024 werden noch neue mögliche Nitrosamin-Verunreinigungen in Arzneimitteln identifiziert, weiterhin kommt es zu Rückrufen.

Als im August 2019 mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) eine neue Transparenzvorschrift in Kraft trat, war dies eine direkte Folge der Nitrosaminkrise. Mit dem GSAV wurde unter anderem festgelegt, dass künftig Wirkstoffhersteller von Arzneimitteln mit Namen und Anschrift in einer öffentlichen Datenbank zu finden sein sollten. 

Denn als im Sommer 2018 mit der ersten Nitrosaminverunreinigung in Valsartan bei einem bestimmten Wirkstoffhersteller alles begann, hatte es sich für die Behörden im Verlauf als schwierig herausgestellt, herauszufinden, welche Arzneimittelhersteller welchen Wirkstoffhersteller nutzen. Außerdem war schließlich beabsichtigt, künftig die Diversität der genutzten Wirkstoffhersteller abzubilden und nach Bedarf für eine höhere Versorgungssicherheit – Stichwort Lieferengpässe – zu sorgen. Auch die Öffentlichkeit sollte die Informationen künftig einsehen können.

Eine gesetzliche Frist zur Umsetzung der Datenbank für die Öffentlichkeit nach GSAV gab es nicht. Bis heute lassen die öffentlichen Informationen auf sich warten – warum?

2020: Klageverfahren zweier Phyto-Hersteller wegen GSAV

Als die DAZ im September 2020 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachhakte, wann denn mit dem Start der Datenbank zu rechnen sei, hieß es, dass „es – bedauerlicherweise – noch keinen neuen Stand“ gibt. Hintergrund war ein laufendes Klageverfahren: Zwei Phyto-Hersteller versuchten beim Verwaltungsgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen das BfArM zu erwirken. Sie wollten der Behörde vorläufig untersagen lassen, die Namen und Adressen der Wirkstoffhersteller in verschiedenen arzneimittelrechtlichen Informationssystemen zu veröffentlichen, weil sie dadurch ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sahen.

Die DAZ hakte zum Stand der Datenbank immer wieder nach. Im Februar 2022 vermeldete das BfArM in einer E-Mail dann tatsächlich Fortschritte: „Die technische Umsetzung ist bereits fortgeschritten. Es stehen allerdings noch einige Testphasen an, bevor die Datensätze zugänglich gemacht werden können.“ 

2024: Portal für aktiv genutzte Wirkstoffhersteller nach ALBVVG

Als im Juli 2023 das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in Kraft trat, rückte nicht wegen der Nitrosaminkrise, sondern aufgrund des allgemeinen Aspekts der Versorgungssicherheit das Bedürfnis nach der Kenntnis über Wirkstoffhersteller wieder verstärkt in den Fokus: Es wurde „eine neue Meldeverpflichtung in Bezug auf die Herstellungsstätte der aktiv genutzten Wirkstoffe für bestimmte Arzneimittel eingeführt“, worauf das BfArM Ende vergangenen Jahres mit einer Informationsveranstaltung aufmerksam machte. Die erste Ausbaustufe des Meldeportals wurde vorgestellt und der Livegang für Januar 2024 in Aussicht gestellt. Am 19. Februar 2024 gab es dann eine weitere Informationsveranstaltung „zum Wirkbetrieb der ‚Fachanwendung zur Meldung der aktiv genutzten Wirkstoffhersteller gemäß ALBVVG‘ zum 20.02.2024“. Für folgende Arzneimittel sind demnach in dem Portal nun Meldungen hinsichtlich der Herstellungsstätte erforderlich:

  • „Für Fertigarzneimittel nach § 52b Abs. 3f AMG
  • Für Arzneimittel bei Adhoc-Anhörungen der Bundesoberbehörden nach § 52b Abs. 3e AMG
  • Für Arzneimittel für ein EU-Los bei Rabattvertragsausschreibungen
    • für patentfreie Antibiotika (§130a Abs. 8a SGB V)
    • für weitere Wirkstoffe, sofern eine Einstufung vom BMG im Bundesanzeiger bekanntgemacht wurde − Aktuell in Vorbereitung für patentfreie Onkologika

Hersteller müssen unter diesem Link melden: www.pharmnet-bund.de/dynamic/de/unternehmen/wirkstoffhersteller/index.html 

Quelle: Foliensatz von M. Horn / BfArM Informationsveranstaltung Meldung aktive Hersteller / 19.02.2024  

Öffentlich beziehungsweise kostenfrei einsehbar ist diese Datenbank nach ALBVVG nicht. Die DAZ hat den Start des Meldeportals gemäß ALBVVG zum Anlass genommen, beim BfArM nochmals nachzuhaken, wann den die öffentlichen Informationen über Wirkstoffhersteller gemäß GSAV zur Verfügung stehen werden? 

In den kommenden Monaten: gemeldete Wirkstoffhersteller kostenfrei zugänglich

Zur Abgrenzung der beiden verschiedenen Meldeverpflichtungen gemäß GSAV und ALBVVG erklärt das BfArM in einer E-Mail vom 24. April, dass die Meldeverpflichtung nach ALBVVG nur bestimmte Fertigarzneimittel betreffe (siehe Kasten). Für diese seien die tatsächlich genutzten Herstellungsstätten der eingesetzten Wirkstoffe chargengenau anzugeben. Gemäß GSAV seien hingegen künftig die gemeldeten Wirkstoffhersteller zu veröffentlichen – unabhängig davon, ob diese tatsächlich genutzt werden. Dieses Vorhaben gemäß GSAV habe das BfArM bereits Anfang 2020 umgesetzt gehabt, doch aufgrund des oben genannten Klageverfahrens „vorerst wieder entfernt“. Zum weiteren Zeithorizont der Zugänglichkeit der Informationen über Wirkstoffhersteller für die Öffentlichkeit erklärt das BfArM nun:


„Aufgrund des Wechsels von der AMIS-Datenbank zur AmAnDa–Datenbank mit differenzierten Herstellerrollen, konnte die Veröffentlichung erst vor einigen Monaten wieder aufgenommen werden. Aktuell sind diese lediglich im kostenpflichtigen Teil veröffentlicht, sollen aber in den kommenden Monaten auch im kostenfreien Teil sichtbar werden.“

E-Mail des BfArM vom 24. April


Auf seinem Internetauftritt erklärt das BfArM, dass „die korrekte und vollständige Abbildung der Wirkstoffhersteller in der AMIS-Datenbank bzw. dem Nachfolgesystem AmAnDa“ von besonderer Bedeutung für die Einschätzung eines Lieferengpasses sei, „wenn dieser aufgrund von Problemen bei der Wirkstoffherstellung besteht“. Seit ca. 2005 würden Wirkstoffhersteller vom BfArM systematisch erfasst. Die Zulassungsinhaber werden angehalten, die Daten zu vervollständigen und aktuell zu halten.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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